VG Ansbach, Beschluss v. 22.03.2023 – AN 16 X 23.587 (2024)

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Tenor Gründe References

Titel:

Normenkette:

WaffG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 46 Abs. 4

Leitsatz:

Die Voraussetzungen für eine Durchsuchung und Sicherstellung der sich im Besitz eines Waffenbesitzers befindlichen Waffen und Munition liegen vor, wenn dieser in stark alkoholisiertem Zustand ein Luftgewehr offen und ohne Waffenschein mit sich führt und angibt, Alkoholiker zu sein und noch weitere Waffen zu besitzen und er später in einem sehr verwirrten und psychisch labilen Zustand angetroffen wird und erklärt, er sehe Personen in gelben Anzügen und Männer würden in seinem Thermomix Säure mischen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Durchsuchungsanordnung, Sicherstellung, Anordnung durch den Richter, Waffen- und Sprengstoffrecht, Waffenbesitzer, Luftgewehr, Alkoholiker, psychisch labiler Zustand

Fundstelle:

BeckRS 2023, 21575

Tenor

1. Dem Landratsamt … (Antragsteller) wird die Anordnung erteilt, das Wohnanwesen des Antragsgegners, …, …, sowie dessen Geschäftsräume, …, …, zum Zwecke der Sicherstellung von Waffen und Munition an Werktagen von 6 bis 21 Uhr zu durchsuchen und, sofern der Antragsgegner einer entsprechenden Aufforderung nicht nachkommt, verschlossene Behältnisse zu diesem Zweck zu öffnen.

2. Diese Anordnung ist für den Zeitraum ab Zustellung dieses Beschlusses bis einschließlich 12. Mai 2023 befristet.

3. Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner bis spätestens bei Beginn der Durchsuchung beauftragt.

4. Der Antragsgegner hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Wohngebäudedurchsuchung zwecks Sicherstellung von Waffen und Munition zur Durchsetzung eines vollziehbaren Waffenbesitz- und -erwerbsverbots.

2

Die zielgerichtete Suche nach Waffen und Munition zur Durchsetzung eines vollziehbaren Waffenbesitz- und -erwerbsverbots bedarf einer richterlichen Durchsuchungsanordnung (§ 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG; Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand: Oktober 2020, § 46 Rn. 49 ff.). Für den Antrag auf richterliche Durchsuchungsanordnung vom 22. März 2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, weil die begehrte Durchsuchungsanordnung im Zusammenhang mit einer Verwaltungsvollstreckung eines Bescheides aus dem öffentlich-rechtlichen Waffenrecht steht (§ 40 Abs. 1 VwGO). Zur Entscheidung des Antrags auf Erteilung der Durchsuchungsanordnung nach Art. 13 Abs. 2 GG ist nach § 5 Abs. 3 VwGO die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach berufen (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 5 RdNr. 7 m.w.N.).

3

Die Voraussetzungen und die Zulässigkeit einer Durchsuchungsanordnung ergeben sich im vorliegenden Fall aus § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG in Verbindung mit dem Landesvollstreckungsrecht. § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut („zu diesem Zweck“) und seiner systematischen Stellung im Anschluss an die Regelung der sofortigen Sicherstellung in §46 Abs. 4 Satz 1 WaffG nur die Durchsuchung zum Zweck der sofortigen Sicherstellung.

4

Der Antragsteller hat für das vorliegende Verfahren hinreichend dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung gegeben sind, da das mit Bescheid vom 1. Februar 2023 gegen den Antragsgegner verfügte Waffenbesitz- und -erwerbsverbot, das auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG gestützt ist, vollziehbar ist. Der Antragsgegner führte nach der Mitteilung der Polizeiinspektion … am 18. Juni 2022 in stark alkoholisiertem Zustand im Bereich der Innenstadt ein Luftgewehr offen und ohne Waffenschein mit sich und gab an, Alkoholiker zu sein und noch weitere Waffen zu besitzen. Die ihm im Rahmen der Anhörung gebotene Gelegenheit, sich einer Untersuchung zu unterziehen und ein fachpsychologisches Gutachten über seine Eignung zum Besitz von Waffen und Munition vorzulegen, nahm er nicht wahr. Am 1. Februar 2023 wurde der Antragsgegner von der Polizei in einem sehr verwirrten und psychisch labilen Zustand angetroffen und erklärte, er sehe Personen in gelben Anzügen und Männer würden in seinem Thermomix Säure mischen. Bei seiner Überprüfung wurde festgestellt, dass er eine Luftpistole mit sich führte. Bei der Übergabe des Bescheids vom 2. Februar 2023 durch die Polizei gab er wiederum an, weitere Waffen zu besitzen, und verweigerte deren freiwillige Herausgabe. Das sofortige Tätigwerden der Sicherheitsbehörde ist damit veranlasst.

5

Damit liegen zugleich die Voraussetzungen für die Sicherstellung der sich im Besitz des Antragsgegners befindlichen Waffen und Munition durch den Antragsteller vor. Die weiteren Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs (Art. 34 VwZVG) sind ebenfalls gegeben. Einer Androhung unmittelbaren Zwangs bedurfte es nach Art. 35 VwZVG nicht, weil die genannten Vorfälle und Angaben des Antragsgegners belegen, dass dieser alkoholabhängig und möglicherweise psychisch erkrankt ist, so dass bei ihm nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG die persönliche Eignung zum Besitz von – erlaubnispflichtigen wie erlaubnisfreien – Waffen und Munition nicht gegeben ist. Deren sofortige Sicherstellung ist daher zur Abwehr drohender Gefahren erforderlich, da deshalb weder eine Fremd- noch eine Eigengefährdung ausgeschlossen werden kann.

6

Damit sind auch die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Durchsuchung zum Auffinden der im Besitz des Antragsgegners befindlichen Waffen und Munition erfüllt. Soweit es der Zweck der Vollstreckung erfordert, sind die mit der Durchführung des Verwaltungszwangs beauftragten Bediensteten der Vollstreckungsbehörde und Polizeibeamte befugt, die Wohn- und Geschäftsräume des Antragsgegners zu betreten und, sofern der Antragsgegner einer entsprechenden Aufforderung nicht entspricht, verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen.

7

Die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Antragsgegners zur Sicherstellung der dort befindlichen Waffen und Munition steht auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang. Denn die hier vorliegenden Anhaltspunkte für die fehlende persönliche Eignung nach §6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG lassen den Schluss auf unmittelbare Gefahren für Leben und Gesundheit zu, was schwerer wiegt, als die Unverletzlichkeit der Wohnung. Ein milderes Mittel (Zwangsgeld oder Ersatzvornahme) steht hier, wie oben ausgeführt, nicht zur Verfügung.

8

Nicht zu prüfen war im vorliegenden Verfahren, ob der zugrunde liegende vollstreckbare Titel, nämlich der vor Durchsuchung zuzustellende Bescheid vom 1. Februar 2023, im Übrigen rechtmäßig ist (vgl. dazu grundlegend BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – BVerfGE 57, 346). Es genügt jedenfalls, dass er nicht nichtig ist. Im Übrigen wären auch keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit erkennbar.

9

Da die richterliche Prüfung einer Wohnungsdurchsuchung die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten kann, war die Durchsuchungsanordnung zeitlich zu befristen. Zudem ist eine Durchsuchung in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr oder an Sonn- und Feiertagen nicht veranlasst.

10

Eine Anhörung des Antragsgegners vor Erlass der gerichtlichen Durchsuchungsanordnung kam nicht in Betracht, weil sonst der Vollstreckungserfolg gefährdet gewesen wäre (vgl. dazu wiederum BVerfG a.a.O.). Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, ist der Antragsteller im Wege der Amtshilfe zu beauftragen, diesen Beschluss gemäß § 14 VwGO dem Antragsgegner spätestens unmittelbar vor Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.

11

Dem Antragsteller wird zudem aufgegeben, dem Verwaltungsgericht Ansbach unverzüglich mitzuteilen, wann die Durchsuchung aufgrund dieses Beschlusses durchgeführt worden ist.

12

Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtsgebühren fallen nicht an.

VG Ansbach, Beschluss v. 22.03.2023 – AN 16 X 23.587 (2024)

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